Ein Augenzeugenbericht von Pater Maurus Stratz O.Cist. aus dem Jahr 1919
Als der Schreiber dieser Zeilen im Jahre 1896 zum erstenmal seine Schritte nach der ehemaligen Wallfahrtsstätte Birnau lenkte, machte sie auf ihn einen gar beelendenden Eindruck. Es war bitter, das Gotteshaus, das damals noch nicht restauriert war, aber trotz seiner Öde und Leere gar mächtig auf Aug und Herz wirkte, seiner erhabenen Bestimmung entfremdet zu wissen. Schüchtern regte sich in seinem Innern der Wunsch: möge doch der Tag nicht mehr fern sein, wo dieses Kleinod der Baukunst seinem früheren Zwecke zurückgestellt werden kann! Dieser Tag sollte kommen, und der Schreiber selbst sollte ihn mitfeiern dürfen!
Der 20. November 1919 brach an. Die Natur schien nicht teilnehmen zu wollen an der Freude, die sich in der näheren und ferneren Umgebung von Birnau allenthalben offenbarte. Es war nicht nur empfindlich kalt, sondern der Himmel schickte uns auch ein Naß, auf das wir herzlich gern verzichtet hätten. Prinz Max hat vielleicht das Richtige getroffen, wenn er, auf das Wetter anspielend, die geistreiche Bemerkung machte: Die Tränen Salems sind mächtiger als die Sonne Birnaus. Salem sollte einen Schatz verlieren, den es über hundert Jahre treu gehütet hatte.
… Nach ziemlich genauer Schätzung dürften sich zur Wiedereröffnung Birnaus an die 3500 bis 4000 Personen eingefunden haben. …
Nach einem Marienlied im Münster Salem wurde das Gnadenbild von seinem Throne herabgenommen, von vier Priestern durch die weiten Hallen des Salemer Münsters getragen und dann auf einen prächtig hergerichteten, von vier Rappen gezogenen Wagen gestellt. Langsam und feierlich setzte sich die Prozession in Bewegung, innig drang das Rosenkranzgebet zum Himmel empor. ....
Kaum war der Wagen in der Nähe des Birnauer Konvents angekommen, da scholl der Gnadenmutter als erster Gruß der neuen Hüter das liebliche "Salve Mater Misericordiae" entgegen.
|
|